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Benedikt XVI. spricht mit Häftlingen

(gloria.tv/ KNA) Heute vormittag hat PApst Benedikt XVI. ein römisches Gefängnis besucht. Von Thomas Jansen (KNA).

Was Gianni genau auf dem Kerbholz hat, bleibt ungesagt - was der italienische Häftling auf dem Herzen hat, teilt er dem hohen Gast jedoch persönlich mit: «Heiliger Vater», hebt der junge Mann in der Gefängniskirche an und will wissen, ob Gott ihm seine Schuld nicht auch vergebe, wenn er allein in seinem Zimmer zu ihm bete.
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Rund 300 Häftlinge des Gefängnisses von Rebibbia im Nordosten Roms warten am Sonntag gespannt auf die Antwort des Papstes. Die Gesichter verraten, dass solche Fragen bislang nicht im Mittelpunkt ihres Lebens standen.

Rebibbia ist da, wo die Straßenkarten der Touristen von Rom schon längst aufgehört haben. Hier, im Nordosten Roms, fließt nicht mehr der Tiber, sondern ein unbekanntes Rinnsal namens Aniene. Rebibbia ist die Endstation für alle Fahrgäste der Metrolinie B, und für viele, die wie Gianni auf die schiefe Bahn geraten sind. 1.740 Häftlinge sitzen allein in dem Gefängnis für Männer, das der Papst besucht, vom Mörder bis zum Handtaschendieb. Nach einer kurzen Ansprache stellt Benedikt XVI. sich in der Gefängniskirche ihren Fragen.

Der Papst besucht nicht einfach nur so ein Gefängnis, weil bald Weihnachten ist. Der Sohn eines bayerischen Gendarmen hat sich in der Vergangenheit mehrfach für einen menschenwürdigen Strafvollzug und eine Abschaffung der Todesstrafe ausgesprochen. In seiner Rede vor den Gefangenen verwies er selbst auf seine jüngste Stellungnahme zu diesem Thema.

In den im November veröffentlichten Richtlinien für die Kirche in Afrika fordert er unter anderem, dass Justizirrtümer und eine schlechte Behandlung von Gefangenen endlich ein Ende haben müssten. Mit dem Aufruf zur Abschaffung der Todesstrafe geht Benedikt XVI. sogar über den einst unter seiner Leitung verfassten Katechismus der Katholischen Kirche hinaus. Darin heißt es, dass die Kirche das Recht und die Pflicht des Staates, angemessene Strafen zu verhängen, anerkenne, «ohne in schwerwiegendsten Fällen die Todesstrafe auszuschließen».

Italien ist nicht Afrika, die Todesstrafe ist in dem südeuropäischen Land längst abgeschafft, doch im Strafvollzug liegt vieles im Argen: Überbelegte Gefängnisse, fehlende Resozialisierungsmaßnahmen und chronischer Geldmangel sind nur einige der «großen Probleme», die der Papst in einer Antwort auf die Frage eines Gefangenen ansprach.
Sein Besuch solle auch ein Zeichen für die Regierung und die Bürger des Landes sein, sich für bessere Haftbedingungen in den Gefängnissen einzusetzen, sagte Benedikt XVI. Der Adressat dieses Aufrufs war in Gestalt von Justizministerin Paola Severino ebenfalls anwesend.

Nicht alle Päpste waren nur als Besucher im Gefängnis. Die Kirchengeschichte kennt etliche Nachfolger Petri, die auch nach dem Zeitalter der Christenverfolgungen zeitweilig selbst inhaftiert waren, mal in dunklen Kerkern, mal in komfortablen Residenzen.

Zuletzt setzte Napoleon Papst Pius VII. von 1806 bis 1811 im norditalienischen Savona fest. Wer historisch weiter zurückgeht, stößt auf Paschalis II. In Ponte Mammolo, heute nur eine Metrostation von Rebibbia entfernt, zwang der deutsche König Heinrich V. diesem Papst im Jahr 1111 einen schmachvollen Vertrag auf, nachdem er ihn zuvor zwei Monate gefangen gehalten hatte.

Der Häftling Gianni erhält vom Papst schließlich folgende Antwort auf seine Frage: Gott vergebe auch ohne Beichte. Voraussetzung seien eine wahrhafte Reue und eine große Liebe zu Gott. Weil Schuld aber immer auch andere Menschen und damit auch die kirchliche Gemeinschaft betreffe, sei auch die Beichte erforderlich. Der wohl berühmteste ehemalige Gefangene von Rebibbia hat von seinem Opfer selbst Vergebung erhalten: Papstattentäter Ali Agca. Zwei Jahre nachdem der türkische Terrorist Johannes Paul II. im Mai 1981 auf dem Petersplatz durch Schüsse schwer verletzte, suchte ihn der Papst im Gefängnis auf - und vergab ihm seine Tat.