Kraft der Stille. Gegen eine Diktatur des Lärms

Das nun endlich auch in deutscher Sprache vorliegende Buch „Kraft der Stille. Gegen eine Diktatur des Lärms“, welches in einer sehr schönen Aufmachung vom FE-Medienverlag herausgegeben wurde, hat bereits nach dem Erscheinen des Originals „La Force du Silence“ in Frankreich und danach auch beim Erscheinen des Buches in den anderen Weltsprachen englisch, italienisch, spanisch und portugiesisch jeweils großes Aufsehen erregt. Das Erscheinen des Buches, ein Gespräch zwischen dem Journalisten und Vatikankenner Nicolas Diat und dem Kurienkardinal Robert Sarah, der – zumindest offiziell – Kardinalpräfekt der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung ist, fiel fast zeitgleich zusammen mit der Aussage des Kardinals, die er in England zur Zelebrationsrichtung machte und damit viel Zustimmung, aber auch Widerspruch erntete, vor allem in römischen Kreisen.

Das Gesprächsbuch geriet in den vergangenen Tagen noch einmal in den Fokus der Medien, als das deutsche Geleitwort von keinem Geringeren verfasst wurde als von Papst Benedikt XVI. Vor allem die Aussage des zurückgetretenen Papstes, die Liturgie sei bei Kardinal Sarah in guten Händen, wird als Tadel der vatikanischen Position zur Liturgie angesehen.

Man kann das Buch in zwei große Abschnitte unterteilen. Zwar gibt es nach dem Geleitwort Papst Benedikts und dem Vorwort von Nicolas Diat fünf große Überschriften. Doch die ersten vier dieser Kapitel beinhalten das Gespräch, das beide miteinander führen. Dabei entstehen 365 Absätze. Das fünfte Kapitel trägt die Überschrift: „Wie ein Rufen in der Wüste“. Der Leser findet sich nun in den Gemäuern der Grande Chartreuse, dem Mutterhaus des Kartäuserordens, wieder. Hier tritt ein weiterer Gesprächspartner hinzu, der Ordensobere der Kartäuser und Prior seines Klosters, der Großen Kartause, Dom Dysmas de Lassus. Das 312 Seiten umfassende Buch wird abgeschlossen durch ein Nachwort von Kardinal Sarah.

Kardinal Sarah segnet Dom Dysmas de Lassus, den Generalminister der Kartäuser bei seinem Besuch in der Großen Kartause (2016)

Das hier vorliegende Buch taugt dazu, von den Menschen guten Willens aufgegriffen und verstanden zu werden. Es ist in der Lage, die Sehnsüchte des Menschen zu erfassen und ihn hinzuführen und mitzunehmen zu einem wahren Aufstieg zu Gott. Alle Menschen sind berufen; „nicht nur im Kloster“ kann Gott gesucht und gefunden werden. Stille und Schweigen werden als Urelemente des menschlichen Wesens erkannt. „Wir müssen die Stille pflegen“, „um sie einen inneren Wall bauen“, damit wir unser Denken und unseren Blick auf Gott richten können. Wir lesen in keinem theoretischen Buch, vielmehr meditieren wir, betrachten wir, auf welche Weise wir Gott begegnen und wie Er uns begegnet. „Indem Gott sich freiwillig selbst zurücknimmt, um dem Menschen Raum zu geben, wird Er ein leidender Gott, weil Er vonseiten des Menschen zu leiden hat und von ihm enttäuscht wird.“ Zu Schweigen und die Stille zu suchen bedeutet, sich ganz Gott zuzuwenden. Der Kardinal weiß aber auch um die Schwachheiten und Krankheiten, sowie der Unfähigkeiten der Menschen. Er spricht auch von körperlichen Prüfungen und der ganzen schrecklichen und schmerzhaften Wirklichkeit, der sich viele ausgeliefert sehen. Immer wieder kommt es zu starken Worten, wie: „Die Krankheit ist eine Teilnahme an der ewigen Stille.“ Kardinal Sarah weiß es wohl, dass „vor der Stille des Todes oft die Stille der Krankheit und des Leidens“ steht. Nur ein einziger Weg führt dahin, „den Sinn des Sterbens zu betrachten“, den der „inneren Stille“.

Dass Stille und Schweigen nicht Selbstzweck sind wird in dem Gespräch mit Dom Dysmas de Lassus, dem Kartäuser, noch deutlicher. Während dieser meint, die Menschen würden die Stille einfach „für ein Nichtvorhandensein von Lärm und Worten“ bezeichnen, sei die Wirklichkeit viel komplexer. Vor allem weiß er, dass „Gott in der Stille“ spricht. „Immer wieder bin ich von seiner Diskretion betroffen, von Seiner so dezenten Art, die unsere Freiheit unendlich respektiert. Wir sind zerbrechlich wie Glas, also mäßigt Gott Seine Macht und Sein Wort, um sie an unsere Schwachheit anzupassen.“ Zuletzt bezeugt der Kartäuser, dass die Nonnen und Mönche seines Ordens Gott antworten wollen, der sich danach sehne, eine Liebesbeziehung mit den Menschen einzugehen. „In der Stille der Nacht, der Zelle und des Herzens der Kartäuser treten wir mit dem unlöschbaren Durst der Menschen vor Gott und bringen der Menschheit den Durst Gottes.“

Bezeugen wir die Wichtigkeit dieses Buches mit einem letzten Wort von Kardinal Robert Sarah, mit dem er allen Menschen eine Grundregel mit auf den Weg gibt: „Die Tugend der Stille meint nicht, dass man niemals reden darf. Sie lädt dazu ein, zu verstummen, wenn keine guten Gründe dazu vorhanden sind, das Wort zu ergreifen“.

Allen Priestern, Ordensleuten und Frommen sei das Buch „Kraft der Stille. Gegen eine Diktatur des Lärms“ empfohlen, aber auch jenen, die sich angezogen fühlen von der Stille und dem Schweigen.

Erstveröffentlicht bei kath.net am 22.5.2017

Kraft der Stille
Gegen eine Diktatur des Lärms
Von Robert Kardinal Sarah; Nicolas Diat; Dom Dysmas de Lassus
Übersetzt von Hedwig Hageböck;
Vorwort von Papst em. Benedikt XVI.
Fe-Medienverlag 2017
312 Seiten; 17,80 Euro
ISBN 978-3-86357-180-1

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Kardinal Sarah und Dom Dysmas
im Gespräch und bei der Führung
durch das Kloster;
hier der große Kreuzgang.

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3 Kommentare zu „Kraft der Stille. Gegen eine Diktatur des Lärms

  1. Ich darf vielleicht darauf aufmerksam machen, Generalminister ist die Titulatur des Generals der Franziskaner, Minoriten und Kapuziner.

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    1. Ja, das stimmt. – Eine Erläuterung:
      Bei den Kartäusern spricht man gemeinhin vom General, dem Kartäusergeneral (wie der Jesuitengenetal), aber das ist nicht ganz korrekt. Denn es handelt sich beim Ordensoberen der Kartäuser immer um den PRIOR der Großen Kartause (Grande Chartreuse); er ist immer auch der „Chef“ des Ordens. Ihn nennt man offiziell „REVERENDUS PATER“, also nicht anders als „ehrwürdiger Vater“. Als solcher leitet er zwischen den alle zwei Jahren stattfindenden Generalkapiteln den Orden.

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