WELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr Assistent Journalismus neu erleben und produktiver werden
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Panorama
  3. Martin Lohmann: Ein Musterkatholik pfeift auf politische Korrektheit

Panorama Martin Lohmann

Ein Musterkatholik pfeift auf politische Korrektheit

Martin Lohmann bei „Hart aber fair“ Martin Lohmann bei „Hart aber fair“
Martin Lohmann bei „Hart aber fair“
Quelle: ARD/Hart aber fair
Nach den Auftritten bei Jauch und Lanz bleibt der Chef des religiösen K-TV, Martin Lohmann, provokant und verteidigt seine Auslegung der katholischen Sexualdoktrin. Doch er besitzt kein Kirchenmandat.

Von der „Lust, katholisch zu sein“ schwärmte der Bonner Journalist Martin Lohmann (55) vor zwei Jahren in einem Zeitschriftenaufsatz: „Sie steigt fast täglich.“

Von diesem Bekenntnis macht er auch nach seinen von empörtem Lachen begleiteten Fernsehauftritten am Sonntag bei Günther Jauch (ARD), am Mittwoch darauf bei Markus Lanz (ZDF), keine Abstriche. „Absolut nicht“, sagte er der „Welt“.

In der Jauch-Debatte über die „Pille danach“ im Fall einer Vergewaltigung hatte Lohmann unter anderem gesagt: „Die Lehre, dass man nicht töten darf, gilt immer.“ Zudem sei die Frage der Selbstentscheidung der Frau „vielschichtig“. Die gelte nur, solange die Frau nicht schwanger sei. „Danach hat sie Verantwortung für zwei Menschen.“

Hass-Mails ans Pfarrbüro

Lohmann provozierte einen Sturm der Entrüstung, seine Ausläufer waren auch zwei Tage danach zu spüren. Pfarrbüros berichten von „ausgesprochenen Hass-Mails“. Er selbst spricht von „sehr viel Zustimmung“, aber auch von „sehr üblen Beschimpfungen“: „So böse, dass ich das meinem ärgsten Feind nicht wünsche“.

Inzwischen, so Lohmann im Gespräch mit der „Welt“, habe sich der Wind etwas gedreht: „Mir schreiben sogar Agnostiker, ich hätte sie wachgerüttelt“.

Allerdings wurde inzwischen bekannt, dass Lohmann wegen seiner Auftritte nicht mehr Dozent an der Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation in Köln ist. Die private Hochschule teilte am mit, ihn nicht weiter in der Lehre einzusetzen.

Auch der Verbleib Lohmanns im ehrenamtlichen Beirat der Hochschule werde derzeit geprüft, sagte ein Sprecher auf Anfrage. Die Hochschule begründete ihre Haltung damit, sie vertrete in ihren Grundwerten „ein Menschenbild, in dem verschiedene sexuelle Orientierungen respektiert werden.

Lohmann sagte dem Internetportal kath.net, sein Rauswurf sei ein „bemerkenswerter Vorgang der Demokratielosigkeit“. Man habe offensichtlich Angst vor christlichen Überzeugungen. „Ich bin erstaunt, dass die Leute, die Toleranz einfordern, nicht in der Lage sind, Toleranz zu üben.“

Die Wut der Zuschauer

Ausgelöst wurde der Skandal durch zwei TV-Auftritte: Als Gast bei Günther Jauch, das Zeichen des Ritterordens vom Heiligen Grab am Revers, hatte Lohmann im wesentlichen an bekannte Thesen der katholischen Sexualdoktrin angeknüpft.

Anzeige

Doch wie er das tat, zwar mit ruhiger Stimme, aber mit wenig Differenzierung, was als dogmatische Härte verstanden werden konnte, und einem Seitenhieb auf die „säkularisierte Gesellschaft“, die seine Position nicht verstehen wolle, das brachte das Blut der Zuschauer in Wallung.

Bei Lanz verteidigte er seine Position, warf allerdings immer wieder ein, dass er selbstverständlich Gewissensentscheidungen respektiere. Dies sei auch die Haltung der Kirche.

K-TV, ein papsttreuer Sender

Der „Publizist und Theologe“, nebenbei Vorsitzender des Bundesverbandes Lebensrecht, der alljährlich einen „Marsch für das Leben“ in Berlin organisiert, war von Jauch unter anderem als Chefredakteur des katholischen Fernsehsenders K-TV eingeladen worden. Wer es nicht besser wusste, vermutete dahinter eine offizielle oder zumindest offiziöse Stimme der katholischen Kirche.

Das Publikum wurde auch über die Relevanz von K-TV – das Kürzel steht für „Kephas-TV“ – im Unklaren gelassen. Dahinter verbirgt sich – bei Lanz kam das deutlicher heraus – ein im österreichischen Dornbirn ansässiger, aus Spenden „papsttreuer“ Katholiken finanzierter Mini-Sender, der für einen „unverkürzten“ Glauben kämpft, aber genau so wie sein Chef kein Mandat hat, für die Kirche zu sprechen. O-Ton Lohmann: „Ich bin ein freier katholischer Journalist.“

K-TV bewegt sich auf traditionalistischem Terrain und betrachtet den deutschen und österreichischen Katholizismus mit Argwohn. Der Rheinländer Lohmann aus Bonn, erst seit Oktober 2011 im Amt, soll neue „und hochwertige Sendeformate“ entwickeln. Das Programm hat bislang eine sektenähnliche Anmutung.

Von deutschen Bischöfen ist bekannt, dass sie K-TV noch nie angesehen haben. Der neue Mann an der Spitze soll dem Nischen-Sender deshalb zu mehr Aufmerksamkeit verhelfen.

Mitgliedschaft im Geheimbund dementiert

Lohmann, der von sich selbstbewusst sagt, „die so genannte Political Correctness ist nicht meine Richtschnur“, hat bislang unterschiedliche publizistische und politische Felder beackert.

Anzeige

Er war stellvertretender Geschäftsführer des Bundes Katholischer Unternehmer, stellvertretender Chefredakteur der – 2010 von den Bischöfen beerdigten – Wochenzeitung „Rheinischer Merkur“ und Chefredakteur der „Rhein-Zeitung“ in Koblenz, zuletzt, vor seinem Engagement bei K-TV, arbeitete er als Verlagsleiter im Kölner Verlag Bachem.

Noch immer profitiert er von seiner Zeit als eloquenter Moderator der „Münchner Runde“ des Bayerischen Fernsehens. Lohmann wurde auch schon mit dem als katholischen Geheimbund apostrophierten Opus Dei („Werk Gottes“) in Verbindung gebracht, eine Mitgliedschaft hat er freilich dementiert.

Waghalsige Rechtfertigungsversuche

Hingegen ist seine Mitarbeit im „Forum Deutscher Katholiken“ (FDK) kein Geheimnis, dieser Zusammenschluss „rom- und papsttreuer“ Verbände und Einzelpersonen war 2000 als Gegenpol zum von den Bischöfen unterstützten Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) ins Leben gerufen worden.

Das FDK erfreut sich des besonderen Wohlwollens von Papst Benedikt XVI., mit Benedikts Sekretär, Erzbischof Georg Gänswein, gab Lohmann die Glaubensfibel „Katholisch. Wissen aus erster Hand“ heraus, und mit dem Papst ist er persönlich bekannt.

Mit seinem Buch „Maximum. Wie der Papst Deutschland verändert“ unternahm er den waghalsigen Versuch, den Medien-Hype nach der Wahl von Joseph Ratzinger in eine Erneuerung der Kirche in Benedikts Heimat umzudeuten. Dafür wurde der Autor selbst von ihm wohlgesonnenen Kollegen belächelt.

Sein Verhältnis zur Deutschen Bischofskonferenz ist, vorsichtig ausgedrückt, nicht von absoluter Übereinstimmung geprägt, anders wäre auch seine Tätigkeit bei K-TV und im Forum Deutscher Katholiken, das sich stets über die „Lehmann-Kirche“ empörte, nicht zu erklären.

Gescheiterte Politik-Karriere

Als Gründer und Sprecher eines Arbeitskreises Engagierter Katholiken (AEK) in der CDU versucht er seit Jahren, einen Fuß in die Politik zu setzen, aber er ist bisher nicht weit gekommen. In Kirchenkreisen wie in der CDU hält man ihm einen bedauerlichen Hang zur Selbstgerechtigkeit und Selbstinszenierung vor.

In der ARD-Sendung „Hart aber fair“ mit Moderator Frank Plasberg hatte er im vergangenen November, wieder mit Rückgriff auf den Katechismus der Kirche, gegen die so genannte Homo-Ehe gesprochen und über einen „homosexuellen Hype“ gewettert. Lohmann selbst ist verheiratet und hat eine Tochter.

Große Empörung im Publikum. Ein Unbekannter schickte ihm daraufhin eine etwas ungelenk formulierte E-Mail: „Ich bin homosexuell, habe Aids, wohne in Bonn und bin nun entschlossen, Ihnen auch das Geschenk dieser Immunerkrankung zu geben. Wenn sie also demnächst einen kleinen Pieks verspüren sollten, dann war ich das wohl mit meiner Nadel.“

Lohmann fasste die Mail als ernsthafte Drohung auf, er erstattete Strafanzeige gegen Unbekannt, und auch der WDR äußerte Betroffenheit. Über K-TV und mehrere Internetportale wurde der Vorgang dann bundesweit öffentlich gemacht. Vielleicht auch ein Beispiel für Selbstvermarktung.

mit KNA

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema