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Warum wir nicht auf Merkels Garantie wetten sollten

Am 5. Oktober 2008 verkündeten Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr damaliger Finanzminister Peer Steinbrück die Sparergarantie Am 5. Oktober 2008 verkündeten Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr damaliger Finanzminister Peer Steinbrück die Sparergarantie
Am 5. Oktober 2008 verkündeten Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr damaliger Finanzminister Peer Steinbrück die Sparergarantie
Quelle: picture-alliance/ dpa
Wer sein Geld zur Bank bringt, meint, dass es sicher ist. Vor fünf Jahren hat Kanzlerin Merkel dafür eine uneingeschränkte Garantie ausgesprochen. Doch die ist nur eine politische Willenserklärung.

Um das Ansehen der Banken ist es schlecht bestellt. Und trotzdem tragen die Deutschen so viel Geld dorthin wie noch nie. Dabei ist es gerade einmal fünf Jahre her, dass das Finanzwesen in seinen Grundfesten zu wackeln schien.

Am 5. Oktober 2008 mussten Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr damaliger Finanzminister Peer Steinbrück vor die Kameras treten, um panische Kontoabhebungen zu verhindern. Heute sorgt sich kaum noch ein Sparer, ob das Geld auf dem Konto sicher ist. Auch die Banken sehen keinen Anlass, um Vertrauen zu werben.

Die großen systemrelevanten Institute sehen sich wieder obenauf. Das hat eine Umfrage der „Welt am Sonntag“ im deutschen Bankensystem erbracht. Die vier großen Verbünde, private Geschäftsbanken, Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken und öffentliche Banken, sehen keinen Anlass für zusätzliche vertrauensbildende Maßnahmen.

Banken brauchen keine vertrauensbildenden Maßnahmen

„Die Garantieerklärung der Bundeskanzlerin war zum Zeitpunkt der Finanzmarktkrise richtig und wichtig, um die besorgten Sparer zu beruhigen“, heißt es beim Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR). Der BVR steht für 30 Millionen Privatkunden, die den Volks- und Raiffeisenbanken insgesamt 542 Milliarden Euro anvertraut haben.

Ähnlich lapidar äußert sich der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV). Auf die Frage, ob die sogenannte Merkel-Garantie noch nötig sei, heißt es dort: „Hypothetische Frage – es gibt sie einfach.“ Die Sparkassen zählen 45 Millionen Privatkunden mit rund 675 Milliarden Euro Einlagen.

„Eine Bekräftigung der Bundesregierung, dass die Kundengelder bei deutschen Banken sicher sind, schadet zumindest nicht“, erklärt der Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB), der 2,7 Millionen Privatkunden repräsentiert. Die privaten Geschäftsbanken, die im Bundesverband deutscher Banken organisiert sind, gaben zu dem Thema keine Stellungnahme ab.

Deutsche bringen immer mehr Geld aufs Konto

Die Geldhäuser haben einigen Grund zur Selbstzufriedenheit: Trotz der Finanzkrise und der zwischenzeitlichen Enteignung von Anlegern auf Zypern werfen die Bundesbürger den Instituten das Geld nur so hinterher. Ingesamt 1,8 Billionen Euro (genau: 1819 Milliarden Euro) liegen auf deutschen Giro- und Tagesgeldkonten. Das ist ein Rekord.

Seit der Finanzkrise hat der Bestand um 341 Milliarden Euro zugenommen. Es war genau jene Merkel-Garantie Anfang Oktober 2008, die den Banken zupasskommt. Die Lage davor war kritisch. Seit der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers am 15. September 2008 hatten die Sparer sechs Milliarden Euro abgehoben. Das war der größte Geldabfluss seit Beginn der Statistiken.

Dann, übers Wochenende vom 4. und 5. Oktober, drohte die Situation außer Kontrolle zu geraten. Überall wurde darüber gesprochen, ob das Ersparte auf der Bank noch sicher sei, wie lange Geldautomaten noch was ausspucken würden. Da gingen Merkel und Steinbrück in die Offensive – und garantierten etwas, was der Staat streng genommen gar nicht garantieren kann: „Wir sagen den Sparerinnen und Sparern, dass ihre Einlagen sicher sind. Auch dafür steht die Bundesregierung.“

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Die Worte zeigten Wirkung: Statt weiter Kapital von den Konten abzuziehen, brachten die Bundesbürger nun sogar verstärkt Geld zur Bank. Allein im Oktober 2008 schwollen die Einlagen um 39 Milliarden Euro an. Doch während das Konto zum bevorzugten Aufbewahrungsmittel für Vermögen avancierte, wurden andere Anlageformen regelrecht geschlachtet.

Desaströse Abflüsse verzeichneten Geldmarktfonds. Diese Produkte waren kurz zuvor noch äußerst beliebt gewesen – als besser verzinste Alternative zu Tages- und Festgeld. In der Krise hatten einige Fonds jedoch herbe Verluste verzeichnet. Nichts war mehr sicher, so schien es, außer das gute alte deutsche Bankkonto.

Nur eine „politische Willenserklärung“

Die Ironie daran ist, dass die Merkel-Garantie keinerlei gesetzlich bindende Wirkung hat. Sie ist allein eine „politische Willenserklärung“, die zudem auch ökonomisch niemals aufrechtzuerhalten gewesen wäre.

Denn eine Garantie sämtlicher Bankguthaben übersteigt die Möglichkeiten des deutschen Staates bei Weitem. Der gesamte Bundeshaushalt vom Wehretat bis hin zum Rentenzuschuss beläuft sich auf gut 300 Milliarden Euro.

Rechtlich bindend ist lediglich die gesetzliche Einlagensicherung, die Bankguthaben bis zur Höhe von 100.000 Euro je Kunde absichert. Das Garantiekapital kommt nicht vom Staat, sondern von den Banken, denen das Gesetz vorschreibt, einen Fonds einzurichten, der bei Ausfällen einspringt.

Darüber hinaus gelten verschiedene Sicherungssysteme der einzelnen Bankenverbünde, zum Beispiel der Einlagensicherungsfonds der deutschen Banken oder die Institutsgarantie der Sparkassen. Auf diese zusätzlichen Absicherungen verzichten indes immer mehr Banken.

Darunter finden sich ausgerechnet Geldhäuser, die fünf Jahre nach der Merkel-Garantie wieder verstärkt mit üppigen Konditionen locken. Manch einen erinnert dies an die unseligen Zeiten, als die isländische Kaupthing-Bank mit Traumkonditionen protzte, ehe sie in der Finanzkrise pleiteging. Mehrere Hundert Millionen Euro hatten Kunden den Isländern anvertraut.

Banken ohne Einlagensicherung mit den besten Zinsen

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Unter den zehn Anbietern mit den höchsten Zinsen beim Vergleichsportal Biallo.de finden sich heute sieben Institute, bei denen das Geld keiner deutschen Einlagensicherung unterliegt. Da ist etwa die Renault Bank direkt, die keinem weiteren Sicherungssystem angehört. Nach eigenen Angaben sind die Kundengelder nicht durch einen Einlagensicherungsfonds garantiert, sondern mit Autos.

Empfindlich gestört werden könnte die neue Sorglosigkeit durch die angedachte Einrichtung einer europäischen Einlagensicherung: „Das ist eines der sensibelsten Themen für Bankkunden überhaupt. Die Kunden vertrauen in die Sicherheit deutscher Banken und Sparkassen und die dahinterstehenden Sicherungssysteme.

Eine Haftungsvergemeinschaftung für ganz Europa würde dieses Vertrauen erschüttern“, lässt der VÖB wissen. Als Folge davon könne die Leistungsfähigkeit der deutschen Sicherungseinrichtungen „zum Nachteil unserer Kunden“ beeinträchtigt werden, fürchtet man: „Daher lehnen wir eine europäische Einlagensicherung rigoros ab.“

Auch die privaten Kreditinstitute halten nichts von einem europäischen Einlagensicherungsfonds: „Wichtige Grundvoraussetzungen sind dafür nicht erfüllt: Es fehlt unter anderem eine vergleichbare Finanzierungsausstattung und ein gemeinsames europäisches Insolvenzrecht“, heißt es beim Bankenverband.

Daher lehne nicht nur die gesamte deutsche Kreditwirtschaft die Pläne zu einem EU-Einlagensicherungsfonds einhellig ab. Denn eines ist klar: Eine Merkel-Garantie für ganz Europa wird es nicht geben.

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